Eleganz und Pracht in Baden-Baden

Die Geschichte der Dr. Rössler’s Hofapotheke in Baden-Baden

1838 erlangte Apotheker Steimig aus Mannheim die Erlaubnis (Privileg Nr. 257) zur Einrichtung einer zweiten Apotheke in Baden-Baden. Mit Hilfe eines Pariser Architekten entstand eine Offizin im Empirestil des französischen Kaiserreichs, die an Eleganz und Pracht ihresgleichen sucht (schöne weiße Apothekengefäße aus Paris, auf denen der goldene napoleonische Adler abgebildet ist).

Nach Steimigs Tod übernahm der bis dahin als Gehilfe angestellte Maximilian Stehle (1840-1885) die Apotheke und betrieb sie ab 1860 im eigenen Gebäude dem heutigen Anwesen in der Sofienstraße 7.

1865

verkaufte er die Apotheke an Hermann Bilharz (1865-1877), der besondere unternehmerische Interessen hatte; so betrieb er neben der Pharmazie ein Hotel an der Promenade (Amerikanischer Hof) und richtete gemeinsam mit seinem Bruder eine Mineralwasser-Fabrikation im Haus ein (Kumys Heilanstalt). Obwohl er die Apotheke sehr erfolgreich führte – zu der Kundschaft gehörte die Königin von Preußen und der russische Hochadel –verkaufte er sie 1877 an Josef Sabel, nachdem er das Realrecht auf die Sofienstr. 7 übertragen ließ. Nach dem Studium der Medizin in London eröffnete er in Baden-Baden eine schnell florierende Praxis. In späteren Jahren zog er nach Straßburg, wo er ebenfalls erfolgreich mit Grundstücken spekulierte. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in der Villa Turgenjew in Baden-Baden, wo er 1908 starb.

Josef Sabel (1877-1879) verkaufte die Apotheke bereits nach 2 Jahren mit Verlust – beeinflusst durch den deutsch-französischen Krieg und die Schließung der Spielbank. Darauf folgten Apotheker Gustav Eckart (1879 –1883) aus München und Karl Eicke (1883-1887).

Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke

Das badische Apothekenwesen im 19. Jahrhundert

Die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke wurde ab 1875 nach preußischer Gesetzgebung durch die großherzogliche Sanitätskommission in Karlsruhe erteilt. Sie bedeutete zwar einerseits Konkurrenzschutz, war aber auch an bestimmte Bedingungen geknüpft was Ausbildung, Anwesenheitspflicht und Einhaltung zahlreicher Vorschriften betraf. Nach diesem Apothekenrecht arbeiteten 1930 nur noch 25% der deutschen Apotheken. Es war verkäuflich, vererblich und wurde als Vermögenswert besteuert. Später wurden Neugründungen nur als Personalkonzessionen ausgeschrieben.

Die Beschränkung der Apothekenzahl machte die Apotheke zum begehrten Objekt. Am 1. Oktober 1887 kaufte Dr. Oskar Rößler die Apotheke. Er machte sich das „Heilbad Baden-Baden“ in naturwissenschaftlicher und historischer Hinsicht zu seiner Lebensaufgabe. Chemische Studien und Untersuchungen fanden im Apothekenlabor statt (Untersuchungen des Thermalschlamms und Entdeckung dessen Radioaktivität, Eiweißbestimmung im Harn). Angegliedert war ein chemisch-bakteriologisches Laboratorium, das für Ärzte und Sanatorien die Untersuchungen vornahm.

Durch Hausspezialitäten in aller Welt bekannt

Die Apotheke fertigte neben Individualrezepturen nach deutschen Vorschriften auch nach ausländischen Arzneibüchern inklusive Versand im Im- und Ausland. Außerdem war die Rößler’sche Hofapotheke durch ihre gutgehenden Hausspezialitäten in aller Welt bekannt, da zur Jahrhundertwende die industrielle Fertigung von Arzneimitteln noch keine große Bedeutung hatte. Unter Oskar Rößler wurde die Apotheke vergrößert (heutiger Apothekenraum), der Empirestil blieb erhalten (Einrichtung aus Mahagoni, gerundete Eckschränke mit facettierten Scheiben in Bronzefassung, Bronzekronleuchter und Mettlacher Plättchen als Bodenbelag.

1888 wurde Oskar Rößler zum Großherzoglich-badischen, 1889 zum Königlich-preußischen und Kaiserlichen Hofapotheker ernannt, was für die Apotheke nicht von Nachteil war. So zählten bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges bekannte Persönlichkeiten zu ihren Kunden, wie Kaiserin Augusta, der Bruder des russischen Zaren, Prinzessin Gagarin, Fürst Menschikow, Maharadschahs von Kaschmir und Baroda. Die letzten 20 Berufsjahre wurde er durch Eintritt seines Sohnes Hans in die Apotheke unterstützt.

Auswirkungen des verlorenen Krieges

1919-1978 Dr. Hans Rößler

Nach dem Tod von Oskar Rößler 1939 übernahm er auch die juristische Führung. In den folgenden Jahren hatte die Apotheke – wie auch die gesamte Kurstadt – mit den Auswirkungen des verlorenen Krieges, der Wirtschaftskrise 1929 und der daraus resultierenden Arbeitslosigkeit zu kämpfen. So war die 1932 eingeführte Rezeptgebühr von 50 Pfennig damals viel Geld. Erst die dreißiger Jahre brachten – nach Wiedereröffnung der Spielbank – wieder mehr Privatkunden in die Apotheke.

Zur Zeit des zweiten Weltkriegs nahm aufgrund der zunehmend rationierten industriell gefertigten Arzneimittel die Bedeutung der Eigenfertigung wieder zu. Während der Besatzungszeit der Kurstadt wurde die Apotheke als Militärapotheke beschlagnahmt und Dr. Hans Rößler fungierte bald darauf als Vertrauensmann der mittelbadischen Apotheker bei der Besatzungsmacht wenn es um die Organisation der Beschaffung und Verteilung der wenig verfügbaren Rohstoffe und Arzneimittel ging.

Dieses berufspolitische Engagement schloss mit der Vizepräsidentschaft der Landesapothekerkammer Südbaden. Heimatpreis und Bundesverdienstkreuz waren die Anerkennung für seine lokalpolitische Aktivität und sein Interesse an der Entwicklung des Kurortes und der Thermalbäder.

Mit dem Eintritt seines Sohnes Rolf Rößler Ende der 50er Jahre zog er sich teilweise aus dem Tagesgeschäft zurück, 1978 aus der Geschäftsleitung.

1992-2001

Stefan Degmayr

Im Herbst 1992 übernahm Stefan Degmayr als Pächter die Apotheke. Ende 2001 schied er aus, um in München eine eigene Apotheke zu leiten.

2002-2004

Ralf Sprang

Unter seiner Führung erlangte die Apotheke die Zertifizierung nach ISO-Standard, die erst seit einigen Jahren möglich war.

2004

Claudia Nübel

2004 ging die Apotheke in den Besitz von Apothekerin Claudia Nübel über. Der Verkaufsraum sowie die Außenwerbung wurden den neuen Anforderungen angepasst. So ist es gelungen, die geschichtsträchtige zweitälteste Apotheke Baden-Badens in 167ste Jahr ihres Bestehens zu führen in einem Umfeld, das in vielerlei Hinsicht sehr wechselvoll war und noch ist.